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Eine mit Feuer

Fast eine Million Freiwillige Feuerwehrleute gibt es in Deutschland, darunter sind 92.000 Frauen. Marie Klinkhammer (18) ist seit kurzem eine von ihnen. Der Job passt zu ihr. Daran lässt sie keinen Zweifel.

Die Ludgeri-Grundschule in Mettingen brennt. Nicht wirklich, aber das Szenario soll als Übung dienen. Und das Leitungsteam der Freiwilligen Feuerwehr in dem Ort nahe Ibbenbüren im Tecklenburger Land hat sich ins Zeug gelegt, um alles möglichst realistisch wirken zu lassen. Die Gänge und Räume sind mit einer Maschine eingenebelt – Sichtweite unter einem Meter. In den Klassenzimmern des zweiten Obergeschosses mimt die Jugendfeuerwehr vom Feuer eingeschlossene Opfer. Aus den Fenstern ziehen künstliche Rauchschwaden gen Himmel. Der Lösch- und Rettungseinsatz kann beginnen.

Die Feuerwehrleute haben in der Wache eine kurze, deutliche Ansage bekommen. „Großbrand! Menschen in Gefahr!“ Jetzt heißt es: Rein in die feuerfeste Montur, Sicherheitsschuhe an und Helm auf. Die Umkleidekabinen sind eng und die Wege zur Fahrzeughalle kurz. Trotzdem kommen sich die etwa 30 Helfer nicht in die Quere. Atemschutzgeräte mit Pressluftflaschen werden angelegt. Alles ist geübt, jeder Handgriff sitzt. Die Bänke in den Feuerwehrwagen füllen sich schnell. Nur wenige Minuten später bremsen die Fahrzeuge auf dem Schulhof.

Ein Job für gestandene Kerle? Nicht nur. Zum Löschzug gehören auch junge Frauen. Und ein „Küken“, wie die Kollegen Marie Klinkhammer nennen. Die 18-Jährige macht zum ersten Mal eine Übung als Feuerwehrfrau-Anwärterin mit. Erst vor kurzem hat sie ihren orange-blauen Overall der Jugendfeuerwehr gegen den blau-gelben der Volljährigen getauscht. Ein grüner Klebestreifen am weißen Helm zeigt allen, dass sie noch einige Ausbildungseinheiten absolvieren muss, um bei richtigen Einsätzen Aufgaben zu übernehmen.

Ein Greenhorn ist sie aber bei weitem nicht. „Nee, ich mache hier mit, seitdem ich zwölf bin“, sagt sie grinsend. „Sechs super Jahre bei der Jugendfeuerwehr.“ Ihre Begeisterung entstand schon lange vorher: Papa und Opa waren bereits als Feuerwehrleute im Einsatz. Die kleine Marie wollte damals so oft mit zur Wache, wie es ging. „In die Autos setzen, Blaulicht und Martinshorn an.“ Und durch das Gerätehaus stöbern. „Nicht zu vergessen das kleine Feuerwehrauto für die Kinder.“ Das Gefährt, groß wie eine Schubkarre, steht noch heute im Flur der Wache.

Der Funke war übergesprungen, von Generation zu Generation. Und mit jedem Gruppenabend und jeder Freizeit der Jugendfeuerwehr wuchs die Begeisterung. Da konnten auch Turn- und Fußballverein nicht mithalten. „Dort habe ich irgendwann aufgehört.“ Bei der Feuerwehr nicht. Weil für sie hier etwas zusammenwuchs: „Kameradschaft, Freundschaft, ein Team.“

Damit erlebte Marie echte Highlights. Welche? Da muss sie nicht lange nachdenken. „Die 24-Stunden-Übungen!“ Zusammen übernachten auf Luftmatratzen im Gerätehaus, immer bereit für einen fiktiven Alarm. „Wir haben uns wie die Berufsfeuerwehr gefühlt.“ Mit diesem Gefühl ging es einmal zur Übung „Kleinbrand auf einem Bauernhof“. Da brannte zwar nichts, aber die Fahrt mit dem Löschgruppenfahrzeug, das Ziehen der Schläuche und das Spritzen mit dem großen C-Rohr wird sie nie vergessen.

Diese Zeit ist vorbei. Ab jetzt beginnt für Marie die intensive Vorbereitung auf ihren ersten echten Einsatz. Die heutige Übung an der Grundschule ist ein Vorgeschmack. Sie ist dem Trupp zugeteilt, der die große Steckleiter für das Obergeschoss zusammenbaut, aufstellt und sichert. Sie muss Material schleppen und Verletzte betreuen. Dabei kommt sie ganz schön ins Schwitzen.

Eine Stunde später ist alles geschafft: die Statisten gerettet, der Rauch aus den Räumen geblasen, die Schläuche wieder zusammengerollt und auf den Wagen verstaut. Erschöpft zieht Marie ihre schwere Jacke aus und den Helm vom Kopf. Ist das wirklich eine Umgebung, in der sich eine junge Frau wohlfühlen kann? Wieder kommt ihre Antwort äußerst selbstbewusst: „Klar!“ Wenn die 18-Jährige sich von ihrem rosa gestrichenen Jugendzimmer aufmacht und in die rote Welt der Feuerwehr radelt, empfindet sie das nicht als Gegensatz. „Für mich passt beides zusammen“, sagt sie. „Ich habe zwei ältere Brüder, eine ältere Schwes-ter und eine Zwillingsschwester – da muss man auch zuhause hart im Nehmen sein.“

Was aber, wenn der Rauch bald echt und die Opfer keine Statisten mehr sind? Wenn ihr Pieper, ein Funk-Alarm-System, sich zu jeder Tages- und Nachtzeit melden kann, werden auch Extremsituationen auf sie warten: Verkehrsunfälle, Schwerverletzte, Tote. Marie nickt erst nachdenklich, dann entschieden. „Darum geht es doch – dann sind Menschen in Not.“ Ohne diese Grundeinstellung funktioniere ihr Job nicht, sagt sie: „Ich will helfen.“

Sie weiß, dass sie keine Heldentaten vollbringen muss. Nach und nach wird sie an größere Anforderungen herangeführt werden. Aus der hinteren Reihe, wo die Einsatzstelle abgesichert wird, in die vordere, wo größere Belastungen und Gefahren auf sie warten werden. „Dabei wird mir auch die große Kameradschaft helfen“, sagt sie. „Jeder achtet bei uns auf den anderen.“ Und wenn sie merkt, dass Aufgaben sie überfordern, darf sie auch Nein sagen. „Dann bleibe ich halt in der zweiten oder dritten Reihe.“

Marie macht nicht den Eindruck, dass sie dort lange verweilen wird. Denn die erste Reihe passt zu der Fachschülerin für Sozial- und Gesundheitswesen, die nach dem Abitur Notfallsanitäterin werden will. Schulsanitäterin und Streitschlichterin ist sie schon. Das klingt alles sehr taff für die junge Frau, die so gar nicht derb daherkommt. Eher zierlich, zurückhaltend geschminkt, oft fröhlich lächelnd. „Ich kann ganz anders“, sagt sie, darauf angesprochen, und kneift die Augen entschlossen zusammen. Sie kann einiges aushalten, richtig zupacken. Ihre Kameraden bei der Feuerwehr wissen das zu schätzen.