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Farmers Flirt

Partnersuche auf dem Land hat meist wenig zu tun mit RTL-Romantik à la „Bauer sucht Frau“. Sondern mit Erwartungen, Sehnsüchten und manchmal mit der ganz großen Liebe – genauso wie in der Stadt.

Auf dem Erntedankfest hat es dann gefunkt. Lena-Marie Niemann lächelt. „Wir kannten uns vom Sehen. Ich bin mit Christophs Schwester zur Schule gegangen.“ Viel Kontakt hatten die beiden da noch nicht. „Guten Tag, guten Weg“ – das war‘s. Fragend schaut sie den jungen Mann an. „Es war doch beim Erntedankfest der Landjugend, oder?“ Christoph Fortmann nickt lächelnd. „Stimmt.“

Mittlerweile sind sie ein Paar: der 28-jährige Landwirt aus der zum oldenburgischen Lohne gehörenden Bauerschaft Brockdorf und die 23-Jährige, die aus Bokern stammt, einem anderen Lohner Ortsteil, und Landwirtschaft studiert. Verliebt auf dem Erntedankfest – ein Klischee? Stimmt! Aber so war es eben bei den beiden, die auf der Terrasse des Fortmann-Hofes sitzen. Spatzen schauen kurz vorbei, die Sonne steht über den gelbgoldenen Feldern, und der Vater des Jung-Landwirts brummt mit einem Aufsitzmäher ums Haus. Einen Enkel hat er dabei auf dem Schoß. Idylle pur.

Christoph Fortmann lächelt zufrieden. „Hier kann man es gut aushalten und dem Getreide beim Wachsen zusehen.“ Das gehört zu seinem Traum von der Zukunft. Der eigene Hof, eine Frau und irgendwann mal Kinder. Die zwei haben sich gefunden. Die Zukunft kann kommen.
Glück gehabt, oder? Ist die Sache mit der Partnersuche für Landwirte eigentlich schwerer als für andere? Nein – so antwortete vor zwei Jahren die Mehrheit (64 Prozent) der Teilnehmer einer Umfrage des Internet-Portals „agrarheute“. Etwas mehr als ein Drittel allerdings bestätigte, was auch die Flirt-Trainerin Annett Gaida im Interview mit dem Branchenblatt „top agrar“ als eines der Handicaps von Landwirten bei der Partnersuche benennt: „Sie sind räumlich und zeitlich stark gebunden und dadurch weniger mobil.“

Christoph Fortmann weiß, was sie meint. Sein Hof mit 4000 Schweine- und 270 Bullenmastplätzen fordert ihn von früh (und manchmal auch) bis ziemlich spät. Urlaub muss gut geplant werden. „Das muss eine Partnerin oder ein Partner wissen, der oder die auf einen Hof zieht.“

Der Tag zwischen Ställen, Weiden, Feldern und Büro ist eben manchmal randvoll. Normalerweise steht Chris­toph Fortmann um halb sieben auf. Ein Kaffee vorweg, kurz mit dem Vater und dem Lehrling schnacken und im Bullenstall übrig gebliebenes Futter auf die Buchten der Tiere verteilen. So beginnt der Tag. Um neun Uhr Frühstück, um halb eins Mittag. Feierabend ist immer unterschiedlich. In den Hoch-Zeiten, etwa während Saat oder Ernte, wird es auch schon mal 23 Uhr.

„Selbstständig heißt eben auch ,selbst‘ und ,ständig‘“, meint der Junglandwirt achselzuckend. Und immer bleibt der Job auch ein Wagnis, abhängig vom Wetter, der Marktsituation, guten und schlechten Jahren. Sich als Paar auf diese Unsicherheit einzulassen – auch dazu muss eine Partnerin oder ein Partner bereit sein.
Harte Wirklichkeit statt niedlicher Klatschmohn- und Kornblumenidylle. Dazu zählt auch jede Menge Schreibtischarbeit. Das habe nur wenig zu tun mit dem, was zum Beispiel bei der RTL-Kuppel-Show „Bauer sucht Frau“ vermittelt werde, sagt Christoph Fortmann. „Manche Stellen der Sendung sind kompletter Blödsinn“, sagt er. „Da werden Landwirte mit hundert Hühnern gezeigt und das sollen Vollerwerbsbetriebe sein. Davon kann doch kein Landwirt existieren. So ein Quatsch!“ Das zeige ein falsches Bild von dem, was auf Höfen heute geleistet werde.

„Wir Landwirte wollen nicht in eine Schublade gesteckt werden und auch keine Klischees bedienen“, betont auch Stephanie Barlage aus der Nähe von Dinklage. Die 32-Jährige führt ihren Betrieb gemeinsam mit den Eltern, einem Auszubildenden und einem Angestellten. Bullenmast, Sauenhaltung und Ferkelaufzucht im so genannten geschlossenen System. Sie ärgert sich, wenn Landwirte pauschal abgestempelt und zum Beispiel als rückständig dargestellt werden. „Dabei sind Landwirtinnen und Landwirte selbstständige und großartige Menschen, die mit ihren Ideen ihre Höfe weiterentwickeln wollen, damit die nachfolgende Generation sie weiter bewirtschaften kann.“

Laptops und elektronisch gesteuerte Ställe gehören schon lange zum Standard. Für manche auch die Partnersuche per Internet. Schützen- oder Landjugendfeste sind zwar immer noch Hotspots zum Anbandeln, jeder siebte Single-Landwirt nutzt laut der „agrarheute“-Umfrage dafür aber auch soziale Netzwerke oder Internetportale. Durchaus erfolgreich. „Ich habe gestern noch einen Kollegen getroffen, der seine Freundin auf Tinder kennengelernt hat“, sagt Christoph Fortmann. „Die sind schon eine ganze Zeit lang zusammen.“

Vorurteile und Klischees – dazu zählt auch der Scherz mit den karierten Hemden, die Landwirte angeblich bevorzugen. An den Karos, so heißt es, lasse sich bei Schützen- oder Landjugendfesten die Hektarzahl eines Hofes ablesen. Nach dem Motto: je kleiner die Karos, desto größer der Hof. Damit interessierte Damen und Herren schon mal wissen, woauf sie sich einlassen.

Auch so ein Klischee. Denn Hektarzahl und Trecker-PS sind auch bei der Partnersuche eher zweitrangig. Auch das hat eine „top agrar“-Leser-Umfrage unter 600 Singles ergeben. Ihnen kommt es eher an auf Eigenschaften wie Ausstrahlung, Intelligenz, Aufgeschlossenheit, Umgangsformen und Familiensinn. Dagegen spielen Herkunft vom Hof oder gute Mitgift für mehr als 80 Prozent überhaupt keine Rolle.
Falsche Vorstellungen. Dass sie für viele Menschen das Bild der Landwirtschaft prägen, das sieht auch Julius große Macke so. Der 28-Jährige bewirtschaftet einen Legehennen-Betrieb in der Bauerschaft Addrup in der Gemeinde Essen bei Cloppenburg. Bis vor kurzem war er zudem Landesvorsitzender der Katholischen Land­jugendbewegung (KLJB) im Oldenburger Land.

Auch er warnt vor Klischees und Verallgemeinerungen. „Es gibt nicht die Landwirte“, betont er. Und viele aus der neuen Generation führten ihre Betriebe anders als früher: „Sie haben zum Beispiel gelernt, alles so zu organisieren, dass auch Urlaub möglich ist. Darauf legen die jungen, top ausgebildeten Leute Wert.“ Die meisten hätten deshalb auch keine Probleme bei der Partnersuche, jedenfalls nicht mehr als Menschen aus anderen Berufen. Julius große Macke hat in Göttingen studiert. Er sagt: „In den Städten gibt es doch auch viele Menschen, die vergeblich nach einer Beziehung suchen.“

Spezielle Flirt-Nachhilfe bräuchten Landwirte jedenfalls nicht, ist sich auch Sandra Kramer sicher. „Es ist einfach eine Typfrage“, sagt sie. „Introvertierte Menschen und Eigenbrötler gibt es in der Stadt genauso wie auf dem Dorf.“ Die 30-Jährige lebt mit ihrer Familie in Benstrup in der Nähe von Cloppenburg. Sie wohnt gerne auf dem Land, schwärmt vom Zusammenhalt der Menschen, der Weite, der Natur, den Spielmöglichkeiten für die Kinder.

„Ich bin überzeugt, dass es Landwirte bei der Partnersuche nicht schwerer haben als andere“, sagt auch Landwirt Christoph Fröhle (31) aus der Lastruper Bauerschaft Hammel. Auch deshalb, weil junge Frauen mit dem Umzug auf einen Hof nicht mehr automatisch selbst auch Bäuerin werden müssten. „Das war vielleicht früher mal so.“ Seine Freundin ist Lehrerin. Und das soll auch so bleiben.
Für Julius große Macke ist der Beruf Berufung. Mit leuchtenden Augen kann er von den besonderen Momenten erzählen, wenn er frühmorgens über die Fel­der zu seinen Tieren geht. Aber auch er weiß um seine besondere Verantwortung für Tiere und Betrieb. „Da ist man dann zum Beispiel während der Ernte mit dem Kopf auch mal ganz woanders.“ Aber es sei ja nicht ständig Erntezeit. „Und wenn man mal für ein Wochenende gemeinsam wegfahren will, dann geht das meistens auch.“

Christoph Fortmann etwa findet regelmäßig die Zeit, seine Freundin im Studium in Rostock zu besuchen. „Problem ist nur das Spontane“, sagt er. „Es muss gut geplant werden. Aber dann lässt sich alles regeln.“ Und in den Wochen vor der Ernte ist er auch schon mal am frühen Nachmittag mit seinem Tagwerk durch und kann mit seiner Freundin zum Baden an einen See fahren.

Er ist froh, dass zum Hof auch ein Nebengebäude gehört, in dem er jetzt wohnt. „Ein eigener Bereich“, sagt er, „damit man nicht zusammen mit den Schwiegereltern in ein und derselben Küche miteinander wurschtelt.“ Rückzugs­­möglichkeiten seien wichtig, unterstreicht auch Julius große Macke. Zusammenarbeiten mit den Eltern, ja. „Aber nicht als Paar noch abends mit Mama und Papa vor dem Fernseher sitzen. Das passt einfach nicht.“

Auch Christoph Fortmann hat sich keine Frau „für den Hof“ gesucht. Seine Freundin studiert zwar Landwirtschaft, hat aber nicht im Sinn, später Bäuerin zu werden. „Das ist nicht mein Plan“, sagt sie selbstbewusst. „Auch, um ein Einkommen neben den Erträgen vom Hof zu haben.“ Christoph Fortmann findet das gut. „Weil dann die Gespräche nicht zu eintönig werden, wenn sie sich immer nur um Tiere, Acker und Futter drehen.“