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Tamina Kallert was ist Ihr Sehnsuchtsort?

Das Fernweh ist ja sozusagen die kleine Schwester der Sehnsucht. Wie versuchen Sie in Ihren Sendungen, die Menschen auf Ihre Reisen mitzunehmen?
Ich glaube, das Wichtigste ist: Was du aussendest, kehrt zu dir zurück. Die Begeisterung, die Neugier und das authentische, unvoreingenommene Entdecken – das versuche ich in meinen Sendungen als Haltung mitzubringen. Ich bekomme sehr viele Rückmeldungen von unseren Zuschauerinnen und Zuschauern, die sagen: Es ist so erfrischend, mit Ihnen unterwegs zu sein, da kommt so eine Herzenswärme rüber. Sie fühlen sich wirklich mitgenommen auf eine Reise. Auch ich kann dabei viel entdecken und habe mir meine Neugier bewahrt. Und ich darf bei meiner Arbeit tollen Menschen begegnen.

Können Sie sich an jemanden erinnern, der Sie bei den Dreharbeiten besonders beeindruckt hat?
Da gibt es ganz viele Begegnungen. Zum Beispiel diesen sympathischen Watt-Postboten, mit dem wir vor einigen Jahren hinausgewandert sind von der Insel Pellworm auf die Insel Hallig. Morgens früh um halb fünf sind wir aufgestanden und haben uns dann am Watt getroffen. Er stand da mit nacktem Oberkörper und sagte: „So, jetzt geht’s los.“ Er war erst ein bisschen schüchtern, doch es ist mir, glaube ich, gelungen, sein Herz zu erobern. Das Wandern durch das Watt mit den Gezeiten ist ein ganz elementares Erlebnis.

Haben Sie ein weiteres Beispiel für eine solche Begegnung, die Ihnen in Erinnerung bleiben wird?
Kürzlich bei der Sendung über den Tauern-Radweg haben wir einen ganz faszinierenden Herrn besucht, der oberhalb eines Sees in einer Hütte lebt und dort ab und zu für Besucher große, sehr leckere Kaas-Nockerln in einer riesigen Pfanne macht. Er hat auch in Amerika bei den Bart-Weltmeisterschaften gewonnen – ich durfte sogar in seinen flauschig-weichen Bart reinfassen! Dann hat er mich in seinen Garten zum Schnittlauch-Holen geschickt. Zum Schluss gab es noch einen Rachenputzer an seinem großen Holztisch in der gemütlichen Stube. Er ist ein richtiges Original! Ich liebe solche Begegnungen, wo ich eintauchen kann in eine andere Lebenswelt und von wo ich auch selbst etwas mitnehme. Immer wieder stelle ich fest: Menschen interessieren sich für Menschen. Wenn sich meine Leidenschaft vermittelt, dann habe ich gute Arbeit geleistet.

Was ist für Sie eigentlich beim Reisen wichtiger: der Ort oder die Menschen, denen Sie begegnen?
Am Ende des Tages sind es die Menschen. In diesen besonderen Zeiten denken ja Viele darüber nach, was wirklich wichtig ist – und das sind für mich die menschlichen Beziehungen. Ich werde oft gefragt, wo es am schönsten war. Es gibt unzählig viele schöne Orte auf der Welt, nah und fern, aber die bekommen ja erst eine Seele durch die Menschen, die sie bewohnen. Wenn ich zurückschaue auf die vielen Reisen, die ich gemacht habe, sind es die Begegnungen mit den Menschen – und die kleinen und großen Momente in der Natur, die bleiben.

Zu welchen Sehnsuchtsorten zieht es Sie denn ganz persönlich?
Das wechselt je nach Lebensphase: Zur Zeit sind es die Regionen, wo sich das Alpine und das Mediterrane ein bisschen mischen – Südtirol ist so eine Gegend. Ich denke da an meine Alpen-Überquerung vom Allgäu bis zum Gardasee. Dabei habe ich unglaublich emotionale Momente in Erinnerung.

Was bewirken solche Momente bei Ihnen?
Je mehr ich reise, desto näher komme ich an mich selbst heran. Weil ich so viel reise und man gerade jetzt coronabedingt ein bisschen vorsichtiger ist, wird mir immer deutlicher, wie wichtig mir Frieden, Erholung, Ruhe und Durchatmen sind. Denn mein Leben ist gerade sehr intensiv: mit Kindern, Reisen, beruflichen Verpflichtungen und privatem Umzug. Da ist die Sehnsucht nach Balance, nach Einfach-so-Sein, nach Loslassen groß.

Verraten Sie, wo Sie konkret mit Ihrer Familie Urlaub machen?
Für unsere Familie gibt es ein ritualisiertes, nahes Reiseziel: den Bodensee. Da wohnen wir in einem kleinen Häuschen im Schilf direkt am Wasser. Einfach so auf den See zu schauen und die friedliche Natur zu genießen, hat etwas unglaublich Beruhigendes und erzeugt einen großen Frieden in meinem Herzen. Es ist ein schöner Ausgleich zu den vielen spannenden Abenteuerreisen, die ich beruflich unternehme.

Haben Sie eigentlich manchmal Heimweh?
Ja! Ich finde es interessant, dass beim Wort „Heimweh“ wie auch beim „Fernweh“ das „Weh“ mitschwingt. Auf den vielen Reisen habe ich immer mehr das Gefühl, dass das In-die-Ferne-Schweifen und das Zuhause wie zwei Seiten einer Medaille sind. Ohne innere Heimat ist ein unbeschwertes, leichtes Reisen gar nicht möglich. Es ist eine ganz spannende Wechselwirkung – ein Weggehen, um wieder nach Hause zu kommen. Da denke ich an ein schönes Zitat von Theodor Fontane: „Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat haben.“